Deine aktuelle Situation kann beschrieben werden als "Das Warten (die Ernährung)" und transformiert sich in "Die Beschränkung".
Vor Dir liegt "das Wasser", dieses Element repräsentiert Gefahr, das Unbekannte, eingestellte Aktivität. Hinter Dir liegt "der Himmel" - dieses Element transformiert sich in "der See". Das bedeutet, dass Kraft und Gesundheit, Aktivität und Bewegung umgewandelt wird in Heiterkeit, Freude und Anziehungskraft.
Die Situation
5. Sü - Das Warten (die Ernährung) Oben (vorne): Kan - das Abgründige (das Wasser) Unten (hinten): Kien - das Schöpferische (der Himmel)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Alle Wesen bedürfen der Nahrung von oben. Aber das Spenden der Speise hat seine Zeit, die man erwarten muß. Das Zeichen zeigt die Wolken am Himmel, die Regen spenden, der alles Gewächs erfreut und den Menschen mit Speise und Trank versieht. Dieser Regen wird kommen zu seiner Zeit. Man kann ihn nicht erzwingen, sondern muß darauf warten. Der Gedanke des Wartens wird außerdem nahegelegt durch die Eigenschaften der beiden Urzeichen: innen Stärke, davor Gefahr. Stärke vor Gefahr überstürzt sich nicht, sondern kann warten, während Schwäche vor Gefahr in Aufregung gerät und nicht die Geduld zum Warten hat.
Das Urteil für die aktuelle Situation
Das Warten. Wenn du wahrhaftig bist, so hast du Licht und Gelingen. Beharrlichkeit bringt Heil. Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das Warten ist kein leeres Hoffen. Es hat die innere Gewißheit sein Ziel zu erreichen. Nur diese innere Gewißheit gibt das Licht das allein zum Gelingen führt. Das führt zur Beharrlichkeit, die Heil bringt und die Kraft verleiht, das große Wasser zu durchqueren.
Eine Gefahr liegt vor einem, die überwunden werden muß. Schwäche und Ungeduld vermögen nichts. Nur wer stark ist, wird mit seinem Schicksal fertig, denn er kann infolge der inneren Sicherheit ausharren. Diese Stärke zeigt sich in unerbittlicher Wahrhaftigkeit. Nur wenn man den Dingen, so wie sie sind, ins Auge zu schauen vermag, ohne jeden Selbstbetrug und Illusion, entwickelt sich aus den Ereignissen ein Licht, das den Weg zum Gelingen erkennen läßt. Auf diese Erkenntnis muß entschlossen beharrliches Handeln folgen; denn nur, wenn man entschlossen seinem Schicksal entgegengeht, wird man damit fertig. Dann kann man das große Wasser durchqueren, d. h. die Entscheidung treffen und die Gefahr bestehen.
Das Bild der aktuellen Situation
Wolken steigen am Himmel auf: das Bild des Wartens. So ißt und trinkt der Edle und ist heiter und guter Dinge.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Wenn die Wolken am Himmel aufsteigen, so ist das ein Zeichen, daß es regnen wird. Da läßt sich dann weiter nichts machen a1s warten, bis der Regen fällt. So ist es auch im Leben, wenn ein Schicksal sich vorbereitet. Solange die Zeit noch nicht erfüllt ist, soll man nicht sorgen und durch eigenes Machen und Eingreifen die Zukunft gestalten wollen, sondern in Ruhe Kraft sammeln durch Essen und Trinken für den Leib, durch Heiterkeit und Guter-Dinge-Sein für den Geist. Das Schicksal kommt ganz von selbst, und dann ist man bereit.
Interpretation der veränderlichen Linien
Line 3: Warten im Schlamm bewirkt das Kommen des Feindes.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Der Schlamm, der schon vom Wasser des Stromes bespült wird, ist kein günstiger Ort für das Warten. Statt die Kräfte zu sammeln, um in einem Zug das Wasser zu durchqueren, hat man einen vorzeitigen Anlauf gemacht, dessen Kraft eben bis zum Schlamm führt. Eine solche ungünstige Lage zieht von außen her die Feinde herbei, die naturgemäß die Lage ausnützen. Durch Ernst und Vorsicht allein ist es möglich, sich vor Schaden zu bewahren.
Die Zukunft
60. Dsie - Die Beschränkung Oben (vorne): Kan - das Abgründige (das Wasser) Unten (hinten): Dui - das Heitere (der See)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Der See hat einen beschränkten Raum. Wenn mehr Wasser hineinkommt, so fließt er über. Darum muß man ihm Schranken setzen. Es sind im Bild die Wasser unten und die Wasser oben, zwischen denen die Feste des Himmels als Schranke ist.
Das chinesische Wort für Beschränkung bedeutet eigentlich die festen Glieder, durch die die Bambusstengel eingeteilt sind. Im gewöhnlichen Leben ist damit gemeint die Sparsamkeit, die feste Schranken für ihre Ausgaben hat. Im moralischen Leben sind es die festen Schranken, die sich der Edle steckt für seine Handlungen, die Schranken der Treue und der Uneigennützigkeit.
Das Urteil für die Zukunft
Beschränkung. Gelingen. Bittere Beschränkung darf man nicht beharrlich üben.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Schranken sind bemühend. Aber sie richten etwas aus. Durch Sparsamkeit im gewöhnlichen Leben ist man gerüstet auf Zeiten der Not. Durch Zurückhalten erspart man sich Beschämung. Aber ebenso sind Schranken in der Ordnung der Weltverhältnisse unentbehrlich. Die Natur hat feste Schranken für Sommer und Winter, Tag und Nacht, und durch diese Schranken erhält das Jahr seine Bedeutung. So dient die Sparsamkeit dazu, daß durch feste Schranken in den Ausgaben die Güter erhalten bleiben und die Menschen nicht geschädigt werden.
Nur ist auch in der Beschränkung Maßhalten nötig. Wollte man seiner eigenen Natur allzu bittere Schranken auferlegen, so würde sie darunter leiden. Wollte man die Beschränkung der anderen zu weit treiben, so würden sie sich empören. Darum sind auch in der Beschränkung Schranken nötig.
Das Bild der Zukunft
Oberhalb des Sees ist Wasser: das Bild der Beschränkung So schaut der Edle Zahl und Maß und untersucht, was Tugend und rechter Wandel ist.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Der See ist etwas Endliches; das Wasser ist unerschöpflich. Der See kann nur ein bestimmtes Maß des unendlichen Wassers fassen. Darin besteht seine Eigenart. Durch Sonderung und Aufrichtung von Schranken gewinnt auch im Leben das Individuum seine Bedeutung. Hier handelt es sich nun darum diese Sonderungen, die sozusagen das Rückgrat der Moral sind, ganz klar festzusetzen. Unbeschränkte Möglichkeiten sind nichts, was für den Menschen geeignet ist. Dadurch würde sein Leben nur zerfließen im Grenzenlosen. Um stark zu werden, bedarf es der freien Schrankensetzung der Pflicht. Nur indem der einzelne sich mit diesen Schranken umgibt und frei für sich das Gebot der Pflicht festsetzt, gewinnt er die Bedeutung a1s freier Gast.