Deine aktuelle Situation kann beschrieben werden als "Das Auftreten" und transformiert sich in "Die Mehrung".
Vor Dir liegt "der See" - dieses Element transformiert sich in "der Wind". Das bedeutet, dass Heiterkeit, Freude und Anziehungskraft umgewandelt wird in Durchdringung und Geschäfte. Hinter Dir liegt "der Himmel" - dieses Element transformiert sich in "der Donner". Das bedeutet, dass Kraft und Gesundheit, Aktivität und Bewegung umgewandelt wird in Zeugung, Wachstum und Bewegung.
Die Situation
10. Lü - Das Auftreten Oben (vorne): Dui - das Heitere (der See) Unten (hinten): Kien - das Schöpferische (der Himmel)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Das Auftreten bedeutet einerseits die richtige Art, sich zu benehmen. Oben ist der Himmel, der Vater, unten ist der See, die jüngste Tochter. Das zeigt den Unterschied von hoch und niedrig, wie er der Stille, dem richtigen Auftreten in der Gesellschaft zugrunde liegt. Auftreten heißt wörtlich: »treten auf etwas«. Das kleine »Heitere« tritt auf das große »Starke«. Die Bewegungsrichtung beider Urzeichen ist nach oben. Daß das Starke auf das Schwache tritt, ist etwas Selbstverständliches, das im Buch der Wandlungen nicht besonders erwähnt wird. Das Auftreten des Schwachen dem Starken gegenüber ist deshalb nicht gefährlich, weil es in Heiterkeit geschieht, ohne Anmaßung, so daß der Starke nicht gereizt wird und es sich gutmütig gefallen läßt.
Das Urteil für die aktuelle Situation
Auftreten auf des Tigers Schwanz. Er beißt den Menschen nicht. Gelingen.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Die Lage ist eigentlich schwierig. Stärkstes und Schwächstes ist unmittelbar beisammen. Das Schwache geht hinter dem Starken her und macht sich mit ihm zu schaffen. Aber das Starke läßt es sich gefallen und tut ihm nichts zuleide, denn die Berührung ist heiter und nicht verletzend.
Die menschliche Lage ist, daß man es mit wilden, unzugänglichen Menschen zu tun hat. Man erreicht in diesem Falle seinen Zweck, wenn man sich in seinem Auftreten an die gute Sitte hält. Gute, angenehme Formen des Auftretens führen auch reizbaren Menschen gegenüber zum Gelingen.
Das Bild der aktuellen Situation
Oben der Himmel, unten der See: das Bild des Auftretens. So unterscheidet der Edle hoch und niedrig und festigt dadurch den Sinn des Volkes.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Himmel und See zeigen einen Höhenunterschied, der durch ihr Wesen von selbst gekommen ist und daher durch keinerlei Neid getrübt wird. So muß es auch in der Menschheit Höhenunterschiede geben. Eine allgemeine Gleichheit ist unmöglich durchzuführen. Es handelt sich aber darum, daß die Rangunterschiede in der menschlichen Gesellschaft nicht willkürlich und ungerecht sind; denn dann ist Neid und Klassenkampf die unausbleibliche Folge. Wenn dagegen die äußeren Rangunterschiede einer inneren Berechtigung entsprechen und innere Würdigkeit der Maßstab für den äußeren Rang ist, dann beruhigen sich die Menschen dabei, und die Gesellschaft kommt in Ordnung.
Interpretation der veränderlichen Linien
Line 2: Auftreten auf schlichter, ebener Bahn. Eines dunkeln Mannes Beharrlichkeit bringt Heil.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Es ist hier die Lage eines einsamen Weisen gezeichnet. Er hält sich von dem Weltgetriebe fern, sucht nichts, will von niemandem etwas und läßt sich nicht blenden von verlockenden Zielen. Er ist sich selbst treu und wandelt so auf ebener Straße unangefochten durchs Leben. Weil er genügsam ist und das Schicksal nicht herausfordert, bleibt er frei von Verwicklungen.
Line 4: Er tritt auf des Tigers Schwanz. Vorsicht und Behutsamkeit führt endlich zum Heil.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Es handelt sich um eine gefährliche Unternehmung. Es ist die innere Kraft vorhanden, sie zu bestehen. Aber die innere Kraft verbindet sich nach außen hin mit zögernder Vorsicht, im Gegensatz zur vorigen Linie, die innerlich schwach ist, aber nach außen hin vorandrängt. So ist der schließliche Erfolg sicher, der darin besteht, daß man seinen Willen erreicht, nämlich durch Weiterschreiten die Gefahr überwindet.
Die Zukunft
42. I - Die Mehrung Oben (vorne): Sun - das Sanfte (der Wind) Unten (hinten): Dschen - das Erregende (der Donner)
Kommentar von Richard Wilhelm:
Der Gedanke der Mehrung drückt sich dadurch aus, daß der unterste starke Strich des oberen Halbzeichens sich heruntergesenkt und unter das untere Halbzeichen gestellt hat. Der Grundgedanke des Buchs der Wandlungen kommt auch in dieser Auffassung zum Ausdruck. Wahres Herrschen muß Dienen sein. Ein Opfer des Höheren, das eine Mehrung des Niederen bewirkt, wird Mehrung schlechthin genannt, um dadurch den Geist anzudeuten, der allein imstande ist, der Welt zu helfen.
Das Urteil für die Zukunft
Die Mehrung. Fördernd ist es, etwas zu unternehmen. Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Durch das Opfer, das von oben her zur Mehrung des Unteren gebracht wird, entsteht im Volk eine Stimmung der Freude und Dankbarkeit, die für die Blüte des Gemeinwesens überaus wertvoll ist. Wenn die Menschen so ihren Führern zugetan sind, dann läßt sich etwas unternehmen, und auch schwierige, gefahrvolle Dinge werden gelingen. Darum gilt es in solchen aufsteigenden Zeiten, deren Entwicklung von Erfolg begleitet ist, zu arbeiten und die Zeit auszunutzen. Diese Zeit ist wie die Zeit, wenn Himmel und Erde sich vermählen, wenn die Erde der schöpferischen Kraft des Himmels teilhaftig wird und nun die Lebewesen gestaltet und verwirklicht. Die Zeit der Mehrung dauert nicht, darum muß sie benützt werden, solange sie da ist.
Das Bild der Zukunft
Wind und Donner: das Bild der Mehrung. So der Edle: Sieht er Gutes, so ahmt er es nach, hat er Fehler, so legt er sie ab.
Kommentar von Richard Wilhelm:
Indem man beobachtet, wie Donner und Wind sich gegenseitig mehren und verstärken, lernt man den Weg zu seiner eignen Selbstmehrung und Besserung. Wenn man an anderen etwas Gutes entdeckt, soll man es nachahmen und so alles Gute auf Erden sich zu eigen machen. Sieht man an sich selbst etwas Schlechtes, so lege man es ab. Dadurch wird man frei vom Bösen. Diese ethische Veränderung ist die wichtigste Mehrung der Persönlichkeit.